Anthologien

Sammlungen von Erzählungen, Kurzgeschichten oder Lyrik werden meist in Anlehnung an das griechische Anthología 'Anthologie' bezeichnet. Im eigentlichen Wortsinn ist damit eine Blütenlese beschrieben, zu: ánthos = Blume und légein = sammeln, lesen.

Natürlich ist zu hoffen, dass die Texte, welche Nischen sie auch zu besetzen oder Wege zu beschreiten suchen, frei sind von Stilblüten. Die Assoziation zum Floralen ist jedoch eine hilfreiche. Oft dienen Anthologien dem Artenschutz, gilt es doch etwas zu wahren, das sonst keinen Platz fände. Auch bietet die Blütenlese eine Vielfalt, die einer Einzelpublikation einer Autorin, eines Autors nicht zu entnehmen wäre.

2019 ist ein ausgesprochen guter Jahrgang für Anthologien, erstens habe ich selbst eine herausgegeben, die mir viel bedeutet, nämlich "Schreibende Nomaden entdecken Europa" und zweitens hat eine Anthologie mit einer Kurzgeschichte von mir eine besondere Auszeichnung erhalten: "25 Jahre Schwazer Stadtschreiber" ist als eines der schönsten Bücher Österreichs gewürdigt worden. Darin enthalten ist die ironisch-melancholische Geschichte "Idiotien des Begehrens".

Im Herbst 2019 erscheint "Neue Wege!", eine Essay- und Vortragsreihe österreichischer Autor*innen, die eine bestechende Bandbreite an formalen und inhaltlichen Positionen vertreten. Dem Geheimnis des Erzählens und warum unsere Kultur vom Begehren nach Mitteilung und erzählender Verdichtung durchdrungen ist, geht mein Essay "Erzählen als Elixier des Lebens" nach.

In den letzten zwei Jahrzehnten sind formal und inhaltlich ganz unterschiedliche Beiträge von mir in Textsammlungen erschienen. In dem Band "Austern im Schnee und andere Sommergeschichten" findet sich der essayistisch-verspielte Befund "Wir Omeshornbläser", der eine Durchdringung der Landschaft von Lech-Zürs unternimmt und kulturell-historische Irritationen aufnimmt und verformt.

Die Erzählungen "Der Mann, mit dem sie schlief" und "Wozu, Odysseus, wozu?" scheinen nur oberflächlich keine Gemeinsamkeit aufzuweisen. Bei näherer Betrachtung beziehen sich beide Texte auf Reisen, auf Irrfahrten und auf Enttäuschungen der Heimkehr und Projektionen auf andere Orte, andere Menschen. Einmal wird das Heldenhafte zur Hypothek des Alltags, das andere Mal der anti-heroische Alltag zur Verhinderung einer Entfaltung. Während für Odysseus die Heimkehr ein Sehnsuchtsmotiv ist, das seine Motivation am Leben erhält, ist für Marlies, die Protagonistin von "Der Mann, mit dem sie schlief", die Idee eines anderen Lebens eine künstliche Ablenkung. Beide Texte sind in "Reise nach Ljubljana" nachzulesen, eine Anthologie jener österreichischen Autorinnen und Autoren, die in den letzten Jahren in Slowenien ihre Arbeiten vorstellten.

Ähnlich scheint die Verfassung von Elvira zu sein, die sich in "Mallorca mon amour" auf die Spurensuche in einem Bordell begibt und durch die Begegnung mit dem Besitzer eine ambivalent-irritierende Mischung aus Anziehung und Abstoßung erfährt. Diese Kurzgeschichte ist in "Gegenwartsliteratur II." veröffentlicht. Hier sind all jene Texte vereint, die 2009 im Rahmen des Literatur-Wettbewerbs in der Schlossgärtnerei Wartholz gelesen wurden.

Für den stilistisch raffiniertesten Beitrag halte ich den Essay "Wo ein Wille, da die Wehmut, dort die Wut", der anlässlich der Ausstellung "Schönheit und Vergänglichkeit" für das gleichnamige Kunstbuch verfasst wurde. Hier gelingt ein Spiel mit Begriffen, aberwitzigen Vergleichen und gewagten Bildern. Der Text pendelt von satirischer Schärfe zu mitfühlender Menschlichkeit und versucht die schweren Themen Tod, Vergänglichkeit und Verlust mit leichtem Ernst in Sprache zu setzen.

Das ist nur ein Einblick, es gibt viele andere Beiträge zu entdecken.