Land unter ihnen

Hernando Cortés ging den ganzen Abend vom Bug bis zum Heck der Galeone und wieder zurück. Das Schiff hatte gerade 35 Meter Länge und in drei milden Atlantikstunden mochte ein Mann seines Alters schon etliche Male auf- und abgeschritten sein. Mehr als dreißig Jahre lagen hinter ihm. Sie schienen Cortés von verdrießlicher Ereignislosigkeit durchzogen. Ein abgebrochenes Universitätsstudium in Salamanca, ein paar Jahre Ackerbau und Viehzucht auf Santa Domingo und Cuba sowie eine übereilte Heirat, die mehr dazu diente, einen beschädigten Ruf zu kurieren, als einer Leidenschaft eine legale Form zu geben. Gut, er hatte es dank einiger Goldfunde zu einem herzeigbaren Besitz gebracht, aber das konnte ja wohl nicht alles sein.

Ein mächtiges, aber auch vages Gefühl zog ihn an die Reling. Finsternis stieg herauf. Die Mannschaft wusste, worauf Cortés wartete. Es würde der Horizont schon noch mit anderem aufzuwarten haben als mit diesem ewigen Blau in Blau, mit dem sich Himmel und Wasser überbieten wollten. Ein sanftes Gelb oder Braun oder auch Grün würde sich dazwischenschieben. Dann würden sie alle befreit aufschreien. Wohl auch Cortés, dessen schwerer Atem immerzu als Auftakt zu einem Wutanfall gelten konnte.

Jedoch, es blieb bei einem fortwährenden Auftakt ohne nachfolgendem crescendo furori. Vielleicht zeigt er ja sein Toben nicht, mutmaßten die Soldaten und stellten sich vor, dass in ihm Kriege aufgeführt wurden. (...)

Die Novelle wurde mit dem 3. Preis beim Prosawettbewerb Brixen/Hall prämiert.
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Im Rahmen einer Literadio-Sendung auf der Frankfurter Buchmesse sprach Jörg Stöger mit dem Autor über Entstehung, Recherche und Umsetzung des Stoffs.

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  • Radio Stephansdom Kurzvorstellung