Schönheit und Vergänglichkeit 

Literarische Interventionen

Eine Ausstellung des Essl Museums von 06.10.2011 – 22.01.2012 

 

Künstlerische Positionen, die sich mit existenziellen Fragestellungen beschäftigen, stehen im Zentrum dieser Ausstellung. Seit Jahrhunderten reflektieren Künstler den Begriff Schönheit, der sich in der westlichen Kultur aus der klassischen Antike entwickelt hat und erst im 20. Jahrhundert durch die Beschäftigung mit außereuropäischen Kulturen grundlegend in Frage gestellt wurde. 

Was ist Schön? Radikal stellt der englische Bildhauer Marc Quinn den klassischen Schönheitsbegriff in Frage, wenn er die Künstlerin Allison Lapper in weißem Marmor und klassischer Haltung porträtiert, eine Frau, der aufgrund einer Contergan Schädigung Arme und Beine fehlen. Sind Schönheit und Perfektion gekoppelt, wie es die Antike vorgibt und die Renaissance als zentrale ästhetische Vorgabe wieder aufnimmt? Ist gar Schönheit Reinheit und Menschlichkeit eine Einheit, wie es der Kunstbegriff des 19. Jahrhundert verdichtete? 
Auch die Diktaturen des 20. Jahrhunderts reklamierten in ihrer Kunst Schönheit für sich, wenn auch mit gänzlich anderen ideologischen Hintergründen. Und in der heutigen Konsumwelt scheint Schönheit ausschließlich auf Äußerlichkeit und Jugendkult reduziert zu sein. Gibt es aber auch so etwas wie innere Schönheit, oder eine Schönheit des Vergehenden? Die herbstliche Färbung des Laubes wird allgemein als schön empfunden, ist aber nichts anderes als der einsetzende Prozess des Verfalls.  

Wie verändert sich der Begriff Schönheit im Lauf der Zeit und in Hinblick auf kulturelle Muster? Schon das Wissen um andere Kulturen und Ihre Vorstellungen von Schönheit relativiert die eigenen, europäischen Traditionen. Kann etwa auch ein Moment, oder ein morbides Bootswrack schön sein? Schließen sich nicht Alter, Vergänglichkeit, Alltäglichkeit und Schönheit aus? In der Ausstellung im Essl Museum werden Kunstwerke gezeigt, die nicht auf den ersten Blick den tradierten Vorstellungen von Schönheit entsprechen. 

Jannis Kounellis zeigt etwa ein altes Bootswrack einer Donauzille, deren Teile an einem riesigen stählernen Mast hängen, vor einem industriellen Metallregal mit Jutesäcken. Die gegensätzlichen Materialien regen zu einer assoziativen Betrachtung an. Daniel Spoerri lässt den Moment einer geselligen Tafelrunde in die Falle gehen, indem er an einem von ihm bestimmten Augenblick alle Gegenstände, so wie sie in diesem Moment sind, auf der Tafel festklebt. So bannt er einen Moment für die Ewigkeit. 

Antoni Tàpies zeigt in seinem fünfteiligen monumentalen Werk „Dietari“, Tagebuch, Zeichen und Erinnerungssymbole in seiner ihm eigenen archaischen Ästhetik. Jörg Immendorff hat sich als schwerkranker Künstler mit Symbolen der Vergänglichkeit beschäftigt. Er schuf sehr eindrücklich berührende Bildkompositionen, die von Assistenten umgesetzt wurden, da er nicht mehr in der Lage war sie selbst zu malen. Und Zoran Music hat als alter Mann beeindruckende Selbstportraits geschaffen, die einen Zustand des fast körperlos Transzendenten zeigen, extrem reduziert auf das für ihn Wesentliche. 

Diese Ausstellung will nichts postulieren, sondern anhand von Kunstwerken zentrale menschliche Fragestellungen zur Diskussion stellen und anregen, eigene Vorstellungen zu hinterfragen und sich kontemplativ mit den Inhalten zu beschäftigen. 

Für die Ausstellungspublikation laden wir Literaten und Philosophen ein zu den Werken Texte zu verfassen, als weitere Anregung über Schönheit und Vergänglichkeit zu reflektieren. 

Alle Werke im Bestand der Sammlung Essl. 

Andreas Hoffer, Jänner 2011

 

Alle Autor*innen des Bandes lasen ihre Beiträge im Essl Museum und konnten sich ein Objekt wählen, das die Lesung visuell begleitet hat.